So, 10.Januar 2010 – 00:10 Uhr Stube 308, Block 15, Koblenz Sanitätsführungskommando (Gedanken am 08.01.2010 um 21:15 Uhr in der RE5 in Richtung Koblenz)

 

Meine Insel – von Christian Kirschnick


Ich blicke mich um in jener ungerechten Gesellschaft und sehe sie alle, wie sie etwas erfahren, von dem ich das Gefühl habe, es nie selbst in meinem Leben zu erfahren. Zu Erfahren, anstatt sich nur danach zu Sehnen..., das bleibt wohl eine unberührte Realität... unantastbar, unerreichbar, lediglich eine gedankliche Vorstellung, eine Phantasie, ein Hirngespinst.


Wieso gelingt es anderen, nur mir nicht? Wieso scheitere ich an etwas, was für viele andere scheinbar kein Problem darstellt, stattdessen sogar als eine Art Selbstverständlichkeit hingenommen wird? Doch für mich ist es eine unlösbare Aufgabe und das ist derzeitig meinem Ermessen nach ein unausweichlicher Fakt. Bin ich etwa unfähig zu lieben? Wie könnte ich auch nur lieben, wenn ich doch diese Fähigkeit, jene Kunst des Liebens nie erlernt habe? Wie kann ich etwas lernen, wenn es mir doch niemand beizubringen vermag? Ich lese Bücher, sehe Filme, lese philosophische und lehrreiche Texte über das Leben, über die Liebe und frage Menschen nach deren Erfahrungen aus, nur um das zu Ergründen, was ich bisher noch nicht erfahren durfte. Vielleicht ist einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen, vielleicht mache ich bisher alles richtig? Doch was ist, wenn die wahre Liebe, das Glück meines Lebens vor mir steht und ich sie nicht erkennen werde? ...


Alles ist bisher ohne Erfolg, ... über 20 Jahre hinweg war und bin ich meine eigene Insel und Touristen kamen und gingen und haben hin und wieder "guten Tag" gesagt und ich hab sie freundlich „Willkommen“ geheißen... Doch für jeden dieser Touristen kommt irgendwann unvermeidbar der Tag, an dem sich jeder wieder dem eigenen Leben widmen muss, an dem ich leider nicht teilnehmen kann, da ich mich um mein eigenes privates Leben kümmern muss. Ich bin leider abhängig von diesem Inselgeschäft, denn um zu überleben muss ich hier arbeiten und hier werde ich wohl, oder übel auf die Person warten, die mich unterstützen wird, damit wir gemeinsam diese Insel erweitern und verschönern können, um gemeinsam einen "Lebenstraum" zu verwirklichen. Gemeinsam eine wunderschöne Insel teilen, auf der man sich gemeinsam geborgen fühlen kann, doch bis dahin trifft mich der bittere Ernst des Lebens und Besucher kommen und gehen einfach. Man hat Spaß zusammen, feiert ein paar Abende mit anderen Touristen zusammen und alle haben ihren Spaß, doch wenn sie gehen und dies ist bisher ohne Ausnahme der Fall gewesen, dann bleibe ich alleine zurück. Von jedem, der bisher auf meiner Insel gewesen ist, musste ich Abschied nehmen und jeder von Ihnen hinterlässt Spuren. Mal hinterlassen sie ein wunderschönes Denkmal, für das ich sehr dankbar bin, doch es gibt andere wiederum die Dreck, Elend und Trübsal hinterlassen, welchen man eigenständig wieder entfernen muss und es gibt einige wenige Touristen die meine Insel so sehr verwüsten, dass einschneidende Restbestände zurückbleiben, welche meine Insel auf ewig sichtbar verunstalten, da sie sich einfach nicht mehr von dieser Verwüstung durch die natürlichen Prozesse erholen kann. Man kann vielleicht provisorisch eine Decke darüber legen, jedoch wird beim nächstbesten Sturm, oder nach einer erneuten Verwüstung durch einen anderen, oder genau dem selben Besucher, der dafür verantwortlich ist, diese Decke, das Unheil nicht ausreichend abdecken können, da sie halt nur notdürftig abdeckt und kurzzeitig von dem darunterliegenden Krater ablenkt. Der Schaden jedoch wird ewig haften, doch mit der nötigen Hilfe könnte vielleicht nachhaltig restauriert werden, ... doch alleine fehlt mir einfach die Kraft und die nötigen Mittel dazu, um meine Insel zu Restaurieren und so werden Touristen unvermeidbar meinen Inselbetrieb in die Ruinen treiben, sodass meine Insel am Ende unbewohnbar sein wird... und was bleibt dann für mich am Ende übrig, ... wo soll ich dann noch leben? Soll ich dann ständig Tourist auf anderen Inseln sein? Von Insel zu Insel schiffen, um vielleicht dort jemanden zu begegnen, jemand Gleichgesinntes, jemand die mich so benötigt, wie ich sie, um dann Teil ihres Inselbetriebs zu werden? Doch ewig kann ich auch nicht suchen, da mir nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen... und was passiert dann mit mir, wenn meine Ressourcen sich dem Ende neigen? Wenn die Mittel verbraucht sind? Werde ich auf See untergehen, oder irgendwo als Gestrandeter enden? Wird mich dann jemand unerwartet retten? ...


Oder werde ich einfach alleine auf der See untergehen … und vom Meer verschlungen werden, ohne jemals Spuren hinterlassen zu haben…?